Vis-à-vis les Paradis
Installation eines beweglichen Objektes an wechselnden Orten 2015
von Candia Neumann
Johanna K Becker begibt sich in ihrer künstlerischen Arbeit auf die Suche nach gesellschaftlichen Vorstellungen von archaischen Ideallandschaften. Bereits in der
antiken Literatur war keineswegs die unberührte Natur das Vorbild paradiesischer Landschaftsvorstellungen, sondern von Menschen angelegte Kulturlandschaften. In späteren christlichen
Paradiesbeschreibungen fällt zudem die Sehnsucht nach einer sicher strukturierten Umgebung auf, sitzt doch die Jungfrau Maria, stets durch Mauern von der Außenwelt beschützt, in ihrem hortus
conclusus. Moderne Paradiesvorstellungen finden sich heutzutage in Reise-prospekten oder Hochglanzmagazinen. Hier buhlen u.a. farbenfrohe tropische Strände, romantische Stadtansichten oder
imposante Bergwelten um die Gunst der Sehnsüchtigen.
Becker interessiert besonders die Synthetik und das Unechte dieser Paradiesideen. Sie spürt mit bildhauerischen Mitteln den kulturell bedingten Konstruktionsweisen
dieser idealisierten Sehnsuchtsorte nach. So verweist sie auf deren Künstlichkeit, in denen sie für ihre detaillierten Modellandschaften explizit toxische, naturferne Kunststoffe
einsetzt.
Für hbf - häuser/bilder/fenster schickt die Künstlerin ein filigranes, grellbuntes Paradies-modell, das im Aufbau an japanische Tuschelandschaftsdarstellungen
erinnert, in einem Schaukasten auf Reisen. Die Vitrine wird von der Künstlerin durch das pulsierende Bahnhofsviertel geschoben und an wechselnden, oft übersehenen Flächen abgestellt, damit sie
von Passanten entdeckt werden kann. Mit der Erweiterung der skulpturalen Gestaltung ihres Werkes durch die Einbeziehung von Bewegung und Stillstand findet die Künstlerin wiederum ein
künstlerisches Mittel, um die Verortung und stetige Veränderung heutiger Paradiesvorstellungen zu reflektieren und zu hinterfragen.